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Aus dem Unterricht von
Dr.Thomas Friese
am Georg-Büchner-Gymnasium
und am Lessing-Gymnasium
Winnenden

    "Bau eine stabile Stadt!" - Sim City 2000 im Geographieunterricht 
15.09.1999 (diese Version wird zur Zeit überarbeitet; 10.5.2012)
   

 

 

Beispielstädte im Sim City 2000 Format (.sc2) zum Download:

Kern einer Schachbrettmusterstadt 36 KB

Komplexe Stadt ohne Straßen (nur öffentliche Vekehrsmittel; siehe Screenshot oben) 95 KB

SimCity ist ein lustiges Spiel, bei dem man aber auch sehr viel Verantwortung braucht.

Es ist wie im echten Leben, mal reich, mal pleite.

Du musst dich darum kümmern, dass es wenig Arbeitslose, Kriminelle usw. gibt!

Insgesamt fand ich SimCity sehr cool, wenn ich Lehrer wäre, würde ich die Note 1 geben.

eine Schülerin der Klasse 5 über SimCity

Eine faszinierende Begegnung

Während meines Studiums und im Rahmen einer daran anschließenden geographischen Dissertation beschäftigte ich mich schwerpunktmäßig mit Simulationsmodellen. Anfangs wurden die dafür notwendigen Berechnungen noch auf Großrechnern durchgeführt. Das war zeitaufwendig und kompliziert, schon das Aufkommen von Terminals und Plottern schien ein großer Fortschritt. Noch bedeutsamer war der Einsatz der ersten Personalcomputer. 

Mehrfach überraschte mich die - im Vergleich mit den Großrechnern - erstaunliche Leistungsfähigkeit und Flexibilität der PCs. Trotz dieser Erfahrungen traute ich meinen Augen kaum, als ich 1993 die erste Demonstration von Sim City 2000 auf einem IBM PC mitverfolgen konnte. Lief hier tatsächlich ein komplexes, hunderte von Rückkoppelungen und Variablen enthaltendes Simulationsprogramm ab, das es zugleich schaffte, die Ergebnisse seiner Berechnungen in einer dreidimensionalen Miniaturstadt darzustellen,- oder handelte es sich doch nur um einen Film, der mit ein paar Scheineingriffsmöglichkeiten versehen war? 

Nun, ich konnte mich bald selbst von der Leistungsfähigkeit und Komplexität von Sim City 2000 überzeugen. Es vereint in nahezu idealer Weise Spielen und Lernen.

 

Literaturliste zu den Grundlagen und zur Didaktik von SimCity

hbzuch

Bremer, M. (1993): SimCity 2000. Benutzerhandbuch. Maxis. London.

Etwa 150 Seiten starkes, exellentes Handbuch. Den späteren "Billigausgaben" von SimCity 2000 ist es nur als PDF-Datei auf CD beigegeben. Das Handbuch enthält neben der sehr eingehenden Erläuterung aller Funktionen des Spiels auch einen interessanten Teil über Stadtplanung und Stadtphilosophie.

strat

Taubner, D.A. & B.Kieran(1995): SimCity 2000. Strategies and Secrets. Special Edition.

Der Bürgermeister, die Sims, die Stadt: Zur Grundkonzeption von Sim City

Die Grundidee von Sim City ist es, dass vom Spieler ("dem Bürgermeister") ein Flächennutzungsplan für Wohnen, Industrie und Dienstleistungen mit je zwei Verdichtungsoptionen und die Infrastruktur (u.a. Straßen und Untergrundbahnen, Energieversorgung, Wasserversorgung, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser) bereitgestellt werden und das Programm die daraus entstehende städtische Struktur und Dynamik in wählbaren Zeitschritten simuliert. 

Geländeerstellung mit dem Karteneditor

Am Anfang der Simulation hat der Bürgermeister eine begrenzte Fläche mit vorgegebenen Relief (dieses kann in einem Zusatzprogramm kreiert werden) sowie etwas Startkapital zur Verfügung. Dieses Kapital setzt er zur Flächenausweisung und zum Aufbau von Infrastruktur ein und das Programm simuliert die entstehende Stadt und ihre Produktivität. Durch differenzierte Besteuerung (Sim City 2000 erlaubt z.B. die unterschiedliche Besteuerung einzelner Industriezweige und Dienstleistungsbereiche) werden die Mittel für den Unterhalt der Infrastruktur und den Ausbau der Stadt gewonnen. Sind die Steuersätze zu hoch, ziehen die "Sims" (simulierten Stadtbürger) in eine andere Stadt oder wählen den Bürgermeister ab.

 

Anzeige von Indikatoren (ausführliche Erklärung im Aufgabenblatt)

Anzeige von Indikatoren

Um dies rechtzeitig zu erkennen , stehen dem Bürgermeister vielfältige Beobachtungsmöglichkeiten zur Verfügung: Er kann sich aus der Presse und Meinungsumfragen informieren, seine Gemeinderatsausschußmitglieder befragen und Diagramme bzw. Karten mit wichtigen Indikatorfunktionen abrufen (Veränderung von Einwohnerzahl, Arbeitslosenquote, Umweltverschmutzungsgrad, Kriminalitätsrate usw.). Seine Eingriffsmöglichkeiten sind dabei durchaus begrenzt: Versucht er ein Gefängnis in die unmittelbare Nähe einer Wohngegend zu bauen, verweigert das Sim City ihm dies unter Hinweis auf wütende Bürgerproteste.

 

scplan

Wilson, J.L. (1988): The SimCity Planning Commision Handbook. McGraw-Hill.

Die vielfältigen Möglichkeiten des Spiels können hier nur exemplarisch benannt werden, vielmehr wollen  sie erarbeitet und erspielt sein. Auf drei ganz besonders interessante Einzelheiten sei aber noch hingewiesen: 
  • Mit fortschreitender Simulationsdauer werden die Auswahlmöglichkeiten bei der Infrastrukturausstattung immer komplexer (stehen am Anfang nur zwei Kraftwerkstypen - Kohle und Wasser - zur Verfügung sind es am Ende neun). 
  • Die Simulation berücksichtigt die sektorale Transformation nach Fourastié. Anfänglich wird die städtische Entwicklung vor allem durch die Industrieansiedlungen, später durch den Ausbau des tertiären Sektors bestimmt. 
  • Die in der Simulation angelegten Regel- und Rückkoppelungs-mechanismen erlauben es in einzigartiger Weise stabile, labile und instabile Zustände des Stadtsystems zu beobachten und zu manipulieren. Entwicklungen, die zu einer instabilen Dynamik führen, werden erst spät an der Oberfläche (z.B. durch Verfall der Gebäude) aber recht früh bei bestimmten Indikatorvariablen (z.B. der Arbeitslosenrate) sichtbar. (Genauere Angaben zu dieser Problematik finden sich im Aufgabenblatt zu Sim City.)
 

sc200

Altenhövel, M. (1994): SimCity 2000. Sybex.


 
 
Screenshot: Sim City, erweiterte DOS-Version
 
 


Screenshot: Sim City 3000

Von Sim City Classic bis SC 3000: Die Programmversionen und ihre Eignung für den Unterrichteinsatz

Die Firma Maxis (gehört heute zu EA)brachte Sim City 1989 zuerst als DOS-Version auf den Markt. Diese Version erlaubte lediglich eine zweidimensionale Darstellung der simulierten Stadt aus Vogelperspektive und enthielt nur begrenzte Möglichkeiten bei der Infrastrukturauswahl (z.B. keine Krankenhäuser oder U-Bahnen). Die geringen Hardwareansprüche (640 KB RAM, 286 Prozessor, Diskettenlaufwerk) sind aber ideal für Schulen, die nur über eine ältere Rechnerausstattung verfügen. 

Ganz aktuell bietet Electronic Arts die Möglichkeit, Sim City Classic online zu spielen. Dazu muß man sich bei EA anmelden und erhält dann ein Java-Plugin, das es ermöglicht, Sim City Classic im Browser auszuführen.

Diese erste SC Version wurde, nachdem Sim City 2000 auf dem Markt kam, "recycelt" und mit einigen Filmsequenzen durchsetzt neu auf den Markt gebracht (Sim City - erweiterte CD-ROM Version).  Diese Zugaben erhöhen die Hardwareanforderungen beträchtlich und sind zugleich hinderlich für einen Unterrichtseinsatz. Das ist schade, weil diese Version im Handel sehr preisgünstig angeboten wird. (Pearl-Verlag, Bestseller Games, Ausgabe 14, Sonderpreis dem 5.-DM) 

Die für den Unterrichtseinsatz mit Abstand am besten geeignete Version von Sim City ist Sim City 2000 für Windows95.  (Die gleichnamige Netzwerkversion ist wegen ihrer Unübersichtlichkeit nicht zu empfehlen.) Diese Version stellt die simulierte Stadt dreidimensional aus verschiedenen Perspektiven dar, nutzt höhere Bildschirmauflösungen und wird bei den Möglichkeiten der Infrastrukturauswahl sowohl dem Anspruch nach Übersichtlichkeit wie auch nach Vielfalt gerecht. Ihre Hardwareansprüche sind nach heutigen Maßstäben kaum der Rede wert: Windows95 mit 8 MB RAM, Pentium-Prozessor, 25 MB Festplattenspeicher, 256 Farben. Es hat in den letzterer Zeit einige preisgünstige Angebote dieser Programmversion gegeben (bei Pearl ohne Handbuch 20.-DM; Komplettausgabe bei Aldi 20.-DM). Im Augenblick sind diese nicht erhältlich, sondern nur eine Sim City 2000 Classic Edition für 35.-DM (Maxis/Electronic Arts).

Nach langen Verzögerungen erschien im Frühjahr 1999 die bislang letzt Version unter dem Titel Sim City 3000 (80.-DM). Wegen der überzogenen Hardwareanforderungen (DirectX6, 250 MB Festplattenspeicher) ist sie nach meinen Erfahrungen erst auf Rechnern mit über 300 MHz Prozessortakt flüssig spielbar. Konzeptionell bietet sie keine Neuerungen im Vergleich zu Sim City  2000. Die höhere Farbtiefe („realistischere Darstellung") erschwert aber den Überblick über die Simulationsergebnisse und macht dieses Programm für einen Unterrichtseinsatz weniger geeignet. Es ist nur demjenigen zu empfehlen, der bereits Erfahrungen mit Sim City 2000 gesammelt hat.

 

sc20002

Dargahi, N. & M.Bremer(1994): SimCity 2000. Power, Politics and Planning. Rocklin, CA.

 

Stadtstruktur und Flächennutzungs-konflikte: Lehrplan des Faches Geographie

Zum Lehrplaninhalt des Grundkurses Erdkunde (Klassenstufe 12/2) gehören Themen wie Citybildung, Regionalplanung und sektorale Transformation, die in einem integrativen Ansatz zu verknüpfen sind. Dazu eignet sich Sim City hervorragend. Mit seiner Hilfe können viele zentralen Fragen der Flächennutzungsplanung, UVP und Infrastrukturausstattung simuliert und verdeutlicht werden. Ein besonderer Vorteil ist die dabei mögliche Erfassung städtischer Dynamik (etwa die Rückkoppelungen zwischen Flächenausweisungen für den sekundären und tertiären Sektor, Arbeitslosigkeit, Lebensqualität etc.). In diesem Sinne wurde Sim City 2000 von mir bislang dreimal im Grundkurs Erdkunde als Zusammenschau und Abschluss der Unterrichtseinheit „Raumbedingungen und Raumwirksamkeit sozioökonomischer Strukturen und Prozesse in europäischen Industrieländern"  eingesetzt, und zwar in zwei bis drei Unterrichtsstunden.

   

arco

Sobald der Arkologie-Level erreicht ist, wird Sim City 2000 witzlos.

"Entwerfen Sie die stabile Stadt!" Erfahrungen und Probleme im praktischen Unterrichtseinsatz

In den  ersten beiden Grundkursen wurde Sim City in einer Gruppenarbeit  genutzt, da nur zwei PCs mit Windows95 zur Verfügung standen, 1998 zum ersten Mal im Kursverband auf 14 PCs. Die hier gewonnenen Unterrichtserfahrungen schlugen sich in jeweils präziseren Aufgabenstellungen nieder. 

Ein grundlegendes Problem ist die vergleichsweise lange Einarbeitungszeit, die ein Einsatz von Sim City erfordert. Diese ist bei Oberstufenschülern, die nur über rudimentäre Computerkenntnisse verfügen (zur Zeit nach meinen Erfahrungen noch über 50%; bei den Schülerinnen über 80%), deutlich länger als bei Schülerinnen und Schülern der Klassenstufe 7 oder 8. Denn Schüler der Oberstufe trauen sich meist nicht zu experimentieren ("einfach herumklicken"), außerdem sind sie meist einseitig auf Abiturvorbereitung fixiert und empfinden Mißerfolge häufig nicht als Lernanreiz, sondern als (nicht für das Abitur verwertbare) Zeitverschwendung.

Bei der Gruppenarbeit wurde dieses Problem dadurch in den Hintergrund gedrängt, dass am Rechner jeweils nur die Schüler mit Computererfahrung arbeiteten, allerdings eben auch den Rest der Gruppe in eine Zuschauerrolle hineindrängten. Beim Einsatz von Sim City im Klassenverband (ein bis zwei Schüler pro Rechner) trat das Problem der mangelnden Computerbeherrschung aber um so deutlicher zu Tage. Dies wurde auch in der neuen Aufgabenstellung berücksichtigt. Sie sieht vor, dass die Schüler zuerst den Kern einer Schachbrettmusterstadt nach genauen Vorgaben anlegen und davon ausgehend versuchen, eine stabile Stadt zu entwerfen.

Selbst wenn die Schüler anhand der ausführlichen Anleitung im Aufgabenblatt mit dem Stadtaufbau beginnen, ist es sinnvoll, Ihnen zusätzlich eine kurze Einführung durch Übertragung des Lehrerbildschirms zu geben. (Das setzt voraus, dass ein System wie INIS oder PC Mastereye im Multimediaraum installiert ist.) Auch sollte man bei der Stundeneinteilung unbedingt darauf achten, dass noch genügend Zeit bleibt, Schülerergebnisse vorzuführen und an diesen den im Aufgabenblatt beschriebenen Stabilitätstest durchzuführen.

   
wichtig: der größere Zusammenhang
Computereinsatz ist im "normalen" Unterricht heute meistens noch derart rar, dass allein seine Durchführung schon einen hohen Motivationsfaktor darstellt. Diese Ausnahmestellung bringt allerdings auch unerwünscht „Seiteneffekte" mit sich. Zu diesen zählen bei einem Programm wie Sim City, dass selbst Oberstufenschüler leicht dazu verleitet werden, ihrem Spieltrieb freien Lauf zu lassen und jede Aufgabenstellung zu vergessen. Dann werden die verschiedenen Katastrophen (Überschwemmung, Wirbelsturm etc.) durchprobiert, auch wenn man noch keineswegs verstanden hat, wie die Stadt überhaupt als System funktioniert.  Dies bringt es mit sich, dass auch bei einem Einsatz des Simulationsprogramms in der Oberstufe, die Aufgabenstellungen vergleichsweise kleinschrittig und genau vorliegen müssen. Es gehört dann zu den vorrangigen Aufgaben des Lehrers, die erzielten Beobachtungen und Erkenntnisse in einen größeren Zusammenhang zu stellen.    
grundlegende, aber bescheidene Anfänge systemischen Denkens
Sim City setzt eigentlich grundsätzliche Kenntnisse im Systemdenken bereits voraus. Meine Erfahrungen zeigen aber, dass solche systematischen Kenntnisse - obwohl sie mehrfach im Lehrplan des Gymnasiums verankert sind - auch bei Schülern der Oberstufe nicht vorausgesetzt werden können. Dies bedeutet z.B., dass ein quantitatives nachvollziehen der Simulationsläufe weitgehend ausgeschlossen ist und man sich mit vergleichsweise grundlegenden Einsichten in bestimmte Wirkungszusammenhänge zufrieden geben muss.  Es bedeutet gleichfalls, dass viele Rückkoppelungsvoränge (etwa in den Bereichen Umwelt/Lebensqualität oder ressourcenschonender Einsatz von Infrastruktur) nicht als  unter systemtheoretischen, sondern nur unter kausalen Gesichtspunkten besprochen werden können. Hier, wie sooft im Unterrichtseinsatz von modernen Computer- und Simulationstechniken muss aber gelten, dass auch Rom nicht an einem Tag erbaut wurde.Um tatsächlich ein Gefühl für systemische und nicht nur singuläre Ursache-Wirkungszusammenhänge vermitteln zu können, planen wir im schulinternen Curriculum, sich schon früher mit diesem Thememkreis auseinanderzusetzen.    
viele sinnvolle Möglichkeiten
Ein geeigneter Ort für die Nutzung von Sim City  ist das neue Fach MNI (Mathematik, Naturwissenschaften, Informatik) in Klassenstufe 9. Dabei stehen Fragen der Stabilität in komplexen Systemen im Vordergrund. Modelle, die Schülerinnen und Schüler beispielwsweise mit DYNASIS selbst entwickeln, sind zur Einführung in diese Problematik meist ungeeignet, da sie zu einfach strukturiert sind und Rückkoppelungen zu sehr vernachlässigen. Wir werden im kommenden Schuljahr erstmalig hier mit unterrichtlichen Erfahrungen aufwarten können. 

Ebenso wie in MNI läßt sich meines Erachtens Sim Cityauch im Mathematikunterricht der Klassenstufe 10 einsetzen. Dort wird im Rahmen der Unterrichtseinheit „Exponentialfunktionen, dynamische Vorgänge" im Themenbereich „Vernetzte Systeme" ausdrücklich der „Einsatz eines Programms zur Modellentwicklung und Simulation" gefordert. 

Aber auch im Erdkundeunterricht der Klassenstufe 5 ist die Nutzung von SimCity möglich (Lehrplaneinheit 4: Merkmale und Aufgaben der Großstadt) Dort sollte vor allem die grundsätzliche Infrastrukturausstattung einer Stadt, sowie Grundlagen der Flächennutzungsplanung im Vordergrund stehen. Dabei wäre es allerdings sinnvoll von einer bereits vorgegebenen Modellstadt auszugehen.